Luftwaffe in Erklärungsnot

Weil sie wegen eines Knochenbruchs drei Airbus-Maschinen während der Nachtflugsperre landen liess, steht die Luftwaffe in der Kritik. Der betroffene Scheich ist bereits wieder munter.

Inzwischen ist klar, weshalb Katars Königsfamilie mit mehreren grossen Flugzeugen nach Zürich gereist ist: Der Vater des Emirs hatte während seiner Ferien im marokkanischen Atlasgebirge einen Beinbruch erlitten und lässt sich nun in der Schulthess-Klinik kurieren. Das hat gestern das Königshaus mitgeteilt. Und dies bringt die Schweizer Luftwaffe in Erklärungsnot. Denn sie hatte der Königsfamilie die Erlaubnis erteilt, gleich mit drei Airbus-Maschinen die Nachtflugsperre zu brechen.

 

Der erste Nachtflug betrifft den Jet, mit dem der Verunfallte aus Marrakesch eingeflogen wurde. Er ist weitgehend unbestritten, weil es sich um einen Ambulanzflug handelte. Heikel sind dagegen die Bewilligungen für zwei weitere Maschinen, die aus Doha kamen. Sie setzten am frühen Morgen des 26. Dezember zu einem Ostanflug an und landeten in Kloten um 5 Uhr respektive um 5.15 Uhr (TA vom Montag).

Pikettoffizier hat entschieden

Warum konnten diese beiden Jets nicht warten, bis um 6 Uhr die Nachtflugsperre ablief? Mochten sich Besucher des Beinbruch-Patienten nicht so lange gedulden? Und darf man für solche Flüge die Bevölkerung in ihrer Nachtruhe stören? Die Luftwaffe will dazu nichts sagen. Sie war über die Weihnachtstage für die sogenannten Diplomatic Clearances zuständig, weil das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) solche Anfragen nur während der Bürozeiten entgegennimmt. Dies entgegen ersten Auskünften gegenüber dem TA, wonach das Bazl dafür verantwortlich gewesen sei.

Entschieden hat also ein Pikettoffizier der Luftwaffe. Laut Delphine Allemand, Sprecherin der Luftwaffe, besprach sich dieser mit dem Flughafen Zürich. Dort hält man allerdings fest, der Diensthabende des Flughafens habe lediglich gesagt, es brauche eine Diplomatic Clearance. Inhaltlich habe er nicht mitgewirkt.

Sicher ist, dass Katars Botschaft am 25. Dezember um 21.50 Uhr um die Bewilligungen ersuchte – einige Minuten nachdem der Jet mit dem Verunfallten aus Marrakesch abgeflogen war. Die beiden Airbus-Maschinen aus Doha hoben dann um 23 Uhr ab (Schweizer Zeit) – exakt zu jenem Zeitpunkt, zu welchem die Luftwaffe laut eigenen Aussagen die Bewilligungen erteilte.

Einen Grund für ihre Erlaubnis mag die Luftwaffe wie erwähnt nicht nennen. «Offenbar weil sie keine gescheite Begründung hat», ärgert sich Thomas Hardegger, SP-Nationalrat und Präsident des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen Zürich. Er geht davon aus, dass die Luftwaffe «im vorauseilenden Gehorsam» gehandelt hat. Offenbar mache man für Emirs aus dem Golf alles. Hardegger spricht von einem «Skandal». Der Luftwaffe fehle das Sensorium für die Anliegen der Bevölkerung. Die drei grossen Airbus-Maschinen hätten Tausende geweckt. Dessen werde sich der Schutzverband noch annehmen. Offenbar habe die Luftwaffe nicht die richtigen Leute, um solche Entscheide zu treffen, sagt der SP-Politiker, der Gemeindepräsident von Rümlang ist. Er könnte sich vorstellen, dass das Bazl betreffend die zwei Flugzeuge aus Doha anders gehandelt hätte. Diese hätten auch eine Stunde später – ausserhalb der Nachtflugsperre – landen können.

21 nächtliche Staatsflüge

Im Jahr 2014 wurde die Nachtflugsperre für Staatsflugzeuge 21-mal aufgehoben – sowohl für Starts als auch für Landungen, unter anderem während des World Economic Forum (WEF) von Davos. Dazu kamen letztes Jahr 63 Ambulanzflüge während der Nacht, für die es keine Bewilligung braucht.

Dem Vater des Emirs geht es inzwischen wieder besser. Laut dem Königshaus erholt er sich und besucht die Physiotherapie. Dies tut er in der Schulthess-Klinik, wie diese mitteilt. Die Klinik in der Lengg ist auf Orthopädie spezialisiert. Bei der Operation habe es sich um einen Eingriff an der linken Hüfte gehandelt. Ausgeführt hat sie Michael Leunig, Chefarzt für Hüftchirurgie. «Die Operation ist ohne Komplikationen und zur vollsten Zufriedenheit verlaufen. Sheikh Hamad bin Khalifa Al Thani befindet sich nun im Genesungsprozess und erholt sich sehr gut», heisst es in der Mitteilung. Am kommenden Freitag, 1. Januar, kann er seinen 64. Geburtstag feiern. (Tages-Anzeiger)

(Erstellt: 29.12.2015, 21:43 Uhr)