(Votum zu Vaterschaftsurlaub und Elternzeit im Nationalrat, 11.9.19)

Eigentlich müsste der Vorschlag für eine grosszügige Elternzeit von der Wirtschaft kommen: Familienfreundliche Programme lohnen sich auch finanziell für die Unternehmen, das belegen Studien aus Deutschland und der Schweiz:

Firmen sind so attraktive Arbeitgeber und haben motiviertere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter;

die Produktivität, der Umsatz und die Arbeitsplatzmoral steigen;

dank weniger Personalfluktuation sinken auch die Kosten für Personalsuche und Einarbeitung. Dies lässt sich alles nachlesen im Bericht der eidgenössischen Koordinationskonferenz für Familienfragen.

Darum ist es unverständlich, dass wir überhaupt über die Sinnhaftigkeit und das Bedürfnis von Elternzeit debattieren müssen, umso mehr als die Schweiz das unrühmliche Schlusslicht bei den OECD-Ländern bezüglich Elternzeit bildet.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen,

Ich werde persönlich keine Elternzeit mehr beanspruchen, und Grosselternzeit ist nicht Bestandteil der Vorlage.

Gerne gebe ich Ihnen aber meine Erfahrungen als Vater von drei erwachsenen Kindern, als ehemaliger Lehrer und als Grossvater weiter, die für eine angemessene Elternzeit sprechen.

Bei der Geburt meiner Kinder waren beide Grosselternpaare noch voll im Erwerbsleben und standen nicht zur Verfügung. Mein Glück war, dass ich als Lehrer die Arbeit in der unterrichtsfreien Zeit weitgehend selber organisieren konnte. Doch dies ist immer noch nur in den wenigsten Branchen möglich.

Die Elternzeit hat einen grossen Einfluss auf die Gesundheit der Kinder und der Mutter. Als ehemaliger Lehrer kann ich Ihnen bestätigen, dass der Lernerfolg auch damit zusammenhält, wie gut die Beziehungen innerhalb der Familie sind. Die kognitive und emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen basiert auf guten Beziehungen, die sich bereits in den ersten Lebenswochen aufzubauen beginnen.

Und diese Erfahrungen mit den guten Beziehungen werden sich später auswirken, auf eine ganze Menge von Gleichstellungsfragen; so für die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, so für die Aus- und Weiterbildung der Eltern, bis hin zu Erwerbslücken und Rentenansprüchen.

Nun im Alter des stolzen Grossvaters beschäftigt mich aber auch, der ständige Versuch, die Generationensolidarität aufzubrechen und die Jungen gegen die Alten aufzubringen.

Die Einführung einer angemessenen Elternzeit ist darum auch ein wichtiger Beitrag für die Generationensolidarität.

Die Diskussion um den eigentlich mickrigen Vaterschaftsurlaub zeigt eindrücklich, wie viel Überzeugung noch nötig ist, dass das Verständnis der Generationen für einander erhalten bleibt. Die gegenseitige Unterstützung wird wichtiger sein als das Geschacher, wer wieviel Leistung mehr in die Sozialwerke einbezahlt hat. Die Älteren haben die Ausbildung der Jungen bezahlt, die Infrastrukturen, mit denen diese heute Wertschöpfung generieren; und die Jungen leisten im Umlageverfahren etwas an die Renten, müssen dafür aber auch nicht mehr, wie dies noch vor der Einführung der AHV der Fall war, für die Lebenshaltungskosten der Betagten aufkommen.

Der Vaterschaftsurlaub, wie sie die VI fordert, ist nur ein kleiner Schritt vorwärts im Bestreben, den Eltern mehr Zeit für ihre Kinder zu ermöglichen. Wir Grosseltern, und davon hat es einige im Saal, stärken damit immerhin die Generationensolidarität, und weil wir noch im Erwerbsleben stehen, ermöglichen wir jungen Paaren, mit Freude Eltern zu werden und mehr Zeit für Partnerschaft und Kinder zu haben.

(Votum zu Vaterschaftsurlaub und Elternzeit im Nationalrat, 11.9.19)