Nein, es geht nicht um den Führungsanspruch in der Umweltpolitik. Es geht einzig darum, wie schaffen wir für Umweltanliegen Mehrheiten mit dem Parlament, mit der Bevölkerung.

Natürlich, das erste Umweltgesetz der Schweiz wurde von SP-Bundesrat Willi Ritschard durch Bundesparlament gebracht, als sich dort noch vor der Gründung der Grünen ein einziger Parlamentarier als Grüner bezeichnete, Daniel Brélaz aus Lausanne, der auch heute noch für den Kanton Waadt im Nationalrat sitzt. Und das AKW’s Kaiseraugst wurde 1975 durch die Besetzung des Geländes insbesondere durch SP-Mitglieder verhindert. Tempi passati. Heute geht es aber um die grösste Herausforderung für die Menschheit in deren Geschichte und die Wahlen in den nächsten Jahren in allen Ländern der Erde werden darüber entscheiden, ob wir die Ziele des Klimaabkommens für Paris überhaupt erreichen können.

Es ist kein Geheimnis, die Umweltziele wurden in den siebziger, achtziger und neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts auch innerhalb der SP nicht immer vorbehaltlos unterstützt. Die Fragen, ob damit auch die Wohlstanderfolge betroffen wären, ob Arbeitsplätze gefährdet würden, ob bei allfälligen Einschränkungen liebgewonnener Lebensgewohnheiten alle gleich behandelt wären – blieben in der politischen Diskussion und bei der Suche nach Mehrheiten immer mitentscheidend.

Eigentlich hat sich daran bis heute wenig geändert: Eine Umweltpolitik wird kaum Mehrheiten finden, wenn die Klimapolitik nicht so ausgestaltet ist, dass neben der Rettung der Erde auch ein gesellschaftlicher Mehrwert entsteht:

  • Massnahmen müssen mit Lenkungsabgaben versehen werden; umweltschonendes Verhalten wird belohnt, umweltschädigendes belastet.
  • Es werden nicht Umweltsteuern sondern Umweltabgaben erhoben, die für den sozialen Ausgleich eingesetzt werden: Verbilligung von Krankenkassenprämien, Ausbau öffentlicher Verkehr, Weiterbildungs- und Wiedereingliederungsangebote, höhere Beiträge an externer Kinderbetreuung, Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus, individuell anpassbare Wohn- und Betreuungsangebote für die ältere Generation und weiteres mehr.
  • Lenkungsabgaben müssen bei den Ursachen ansetzen und nicht einfach Symtome bekämpfen. damit nicht Reiche dank Ablass ihren Jet-Set Lebensstil weiterführen, die tieferen und mittleren Einkommen sich aber Ferien nicht mehr leisten können.
  • Öffentliche Förderinstrumente unterstützen die Forschung, Innovation und schaffen neue, zukunftsgerichtete Arbeitsplätze.
  • Private Initiativen zur CO2-Ausstoss-Reduktion (e-Mobilität oder Autoverzicht, Produktion erneuerbarer Energien zum Eigenverbrauch, Konsum saisonaler, regionaler Produkte, energetische Sanierungen) werden unterstützt.
  • Finanz-, Steuer und Investitionspolitik haben in ihren Auswirkungen die Klimaneutralität zu gewährleisten.

Geändert hat sich durch die verstärkte Klimadiskussion sicher, dass viele Menschen einsehen, dass gehandelt werden muss und sie sind bereit, Massnahmen mitzutragen, auch wenn sie allenfalls zur Änderung ihres Lebensstils führen. So wichtig die individuellen Beiträge an umweltschonendem Verhalten ist, freiwillige Verhaltensänderungen werden nicht reichen. Es braucht Regulierungen für die Wirtschaft und Eingriffe auch in die Eigentumsgarantie, weil das öffentliche Interesse an der Rettung des Klimas doch überwiegt.

«Wer hat’s erfunden?» ist darum in der Umweltpolitik eine müssige Frage. Entscheidend ist, wer den Ideen zum Durchbruch verhilft. Wir können darauf zählen, dass die ökologisch ausgerichteten Parteien im Oktober zulegen. Aber ohne die SP wird kein Traum erfüllt und keine Initiative gewonnen. Für die Umsetzung ambitionierter Umweltziele braucht es die Unterstützung der sozialen und gewerkschaftlichen Kräfte. Für praxisorientierte Klimapolitik hat die SP die Fachleute und die Erfahrung, wie wissenschaftliche Erkenntnisse Mehrheiten schaffen. Auch ohne «grün» im Parteinamen ist darum die SP die Partei, ohne die es keine erfolgreiche, sozialverträgliche Umweltpolitik gibt.

Thomas Hardegger, Nationalrat