TRIBUNE - NZZ vom 9. Dezember 2015

Warum es den Schutzverband braucht

Gastkommentar von THOMAS HARDEGGER

Der Flughafenbericht des Kantons Zürich stellt fest, dass der gesetzlich festgelegte Richtwert der Anzahl belästigter und der im Schlaf gestörten Menschen massiv überschritten wird. Nicht erstaunlich also, dass der Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich (SBFZ) sich meldet und den jedes Jahr schlimmer werdenden Verstoss kritisiert. Nun meinen nicht nur die Luftfahrtlobbyisten, nein, auch die NZZ, nicht etwa die Verursacher der Überschreitungen, sondern den SBFZ desavouieren zu müssen (NZZ 28. 11. 15). Sie wollen nicht wahrhaben, dass der Schutzverband nichts anderes tut, als seine Pflicht als Verband von Gemeinden wahrzunehmen. Nämlich, sich für die Gesundheit seiner Einwohnerinnen und Einwohner einzusetzen. Dabei bewertet er neben dem Nutzen, den die Entwicklung des Flughafenbetriebes auslöst, auch dessen Lasten.

 

Den Verband als links-grünes Luftfahrtbehinderungskonstrukt zu beschreiben, ist grundfalsch. Es stünde einer Qualitätszeitung wie der NZZ gut an, sich mit den Anliegen des Schutzverbandes sachlich auseinanderzusetzen. Wer das ehrlich tut, merkt, dass sie sehr wohl berechtigt sind. Die Vertreter der 65 Schutzverbandgemeinden - allesamt mit bürgerlicher Mehrheit - sind wiederholt von ihrer Bevölkerung in die Exekutive gewählt worden; auch damit sie sich für die Einhaltung der im Gesetz festgelegten Regeln zur Nachtruhe einsetzen. Gerade die Vertreter der Flughafengemeinden haben alles Interesse daran, eine ganzheitliche Flughafenpolitik zu fordern. Diese umfasst in erster Linie die Sicherheit und dann in zweiter Linie die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen des Flughafenbetriebes auf die Flughafenregion.

Bezüglich der Überschreitung der Lärmbelastung dürfen die Gemeinden darauf hinweisen, dass die Zürcher Regierung bei der Volksabstimmung über den Zürcher Fluglärmindex (ZFI) in Kenntnis aller vom Kanton im Richtplan eingetragenen Siedlungsgebiete und der eingezonten Wohnzonen den Stimmberechtigten versprochen hat, dass die Anzahl der vom Fluglärm stark gestörten Personen nie 47 000 überschreiten würde. Auch darum hat die Bevölkerung dem regierungsrätlichen Gegenvorschlag mit dem ZFI zugestimmt und die Volksinitiative, die die Bewegungszahl bei 250 000 begrenzen wollte, abgelehnt. Nun einfach die Einwohnerinnen und Einwohner der Flughafenregion zu verspotten und ihnen das Wegziehen zu empfehlen, ist deshalb zynisch. Sollten denn 200 000 Personen aus der Flughafenregion in den Aargau und den Thurgau ziehen und dann jeden Tag das Pendlerchaos vergrössern? Ziel muss es bleiben, dass nahe den Arbeitsplätzen qualitativ hochwertiges Wohnen möglich ist. Das Versprechen mit den maximal 47 000 stark belasteten Personen könnte eingehalten werden, würden der technologische Fortschritt bei den Flugzeugen konsequent eingefordert, die Betriebszeiten eingehalten und der Betrieb konsequent nach Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltfolgen ausgerichtet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Flughafen am 30. Oktober 2013 verpflichtet, lenkungswirksame Lärmgebühren zu erheben. Dieses rechtskräftige Gerichtsurteil wird nun schlicht nicht vollzogen. Die Umsetzung des Bundesverwaltungsgerichtsurteils und die Einhaltung der gesetzlichen Nachtruhe von Bund und Kanton einzufordern, sind die Gemeindebehörden verpflichtet, und es darf durchaus gefragt werden, wie die Umweltbelastung in der Flughafenregion denn aussehen würde, wenn es den Schutzverband nicht gäbe. Der Schutzverband beschränkt sich nicht auf die betriebswirtschaftlichen Interessen einiger Luftfahrtunternehmen, sondern er bezieht im Interesse des Wohn-und Wirtschaftsraumes die volkswirtschaftlichen Auswirkungen umfassend in die Beurteilung der Luftfahrtpolitik ein. Das ist wichtig und gut so.

Thomas Hardegger ist Zürcher SP-Nationalrat und Gemeindepräsident von Rümlang.