Vor kurzem hat die Schweizerische Gesellschaft für allgemeine innere Medizin exemplarisch fünf unnötige Behandlungen aufgelistet, die oft routinemässig durchgeführt werden, dem Patienten und der Patientin aber keinen Nutzen bringen. Im Gegenteil, jede unnötige Behandlung birgt auch ein Risiko für Komplikationen. Gesundheitsschäden können aus Behandlungsfehlern, ungünstiger körperlicher Konstitution oder bei einer Spitalinfektion schon alleine wegen einer stationären Behandlung auftreten.

 

Die fünf unnötigen Behandlungen bilden nur den Anfang einer langen Liste, die noch zu erstellen ist.  Das zeigt sich an der Zunahme der Gesundheitskosten und der steigenden Anzahl Patienten. Die Gesundheit ist halt für viele Personen und Institutionen zunehmend ein Geschäft: Es verdienen Pharma-Unternehmen, Medizinalgeräte-Hersteller, Krankenversicherungen, Spitäler, Arztpraxen, aber auch das Gesundheitspersonal. Operationen werden bezahlt, ob sie nötig sind oder nicht, selbst dann, wenn es konservativere Behandlungsvarianten gäbe und die betroffene Patientin keinen Nutzen sondern nur Risiken davonträgt. Die Einführung des Systems der Fallpauschalen (DRG) für die Abrechnung von Spitalbehandlungen hat dies noch unterstützt. Mit der gesicherten Bezahlung können die Spitäler ihre teuren Anlagen auslasten und die Investitionen garantieren einen sicheren Gewinn.

In den USA wurde eine Studie für Knieoperation durchgeführt. Die Hälfte der Patienten wurde nur zum Schein operiert. Zwei Jahre später konnte zwischen den Gruppen der operierten und der scheinoperierten Patienten praktisch keinen Unterschied mehr festgestellt werden. Fast gleich viele Personen hatten nach wie vor Knieprobleme, fast gleich viele Personen hatten keine Knieprobleme mehr. Nicht nur diese Studie zeigt, dass oft zu rasch operiert wird.

Vor diesem Hintergrund erstaunt die Unterländer Spitalpolitik natürlich nicht. Auch dank den Investitionen der Spitäler Bülach und Winterthur verfügt das Unterland über eine sehr gute und ausreichende Gesundheitsversorgung. Als nun das Universitätsspital ein neues Gesundheitszentrum im Flughafen ankündete, protestierte das Spital Bülach zurecht lautstark. Nur ein paar Wochen später hat das Spital Bülach umgeschwenkt und lässt verlauten, die beiden Spitäler würden sich prima ergänzen. Beide sind sich nun also sicher, dass sie genügend Patientinnen und Behandlungen „generieren“ werden. Denn bei der Gesundheitsversorgung bestimmt das Angebot die Nachfrage. Wird eine Person nur genügend untersucht, so findet sich bestimmt eine „notwendige“ Behandlung.

Die höheren Gesundheitskosten bezahlen wir alle: Über den Anteil der Behandlungskosten der öffentlichen Hand; über die Krankenkassenprämien; über die Kosten an die Ausbildung des Personals und über die Gesundheitsschäden als Folge unnötiger Behandlungen.

Ich wünsche mir Hausärztinnen und Hausärzte, die die Zeit und den Mut aufbringen, um ihren Patientinnen und Patienten sorgfältig zu erklären, welche Behandlung wann Sinn macht und welche weniger belastende Behandlung auch möglich wäre. Oft ist sich der Patient gar nicht bewusst, dass ihn eine Behandlung körperlich sehr stark belasten kann, ohne dass dem ein Gewinn an Lebensqualität gegenüber steht. Vielleicht sollten wir auch akzeptieren, dass in der Medizin nicht immer alles möglich ist und jede Behandlung auch ihre Risiken hat.