Votum im Nationalrat - 20. Juni 2019

Forscher in den USA zeigten 2011 auf, dass die Nervenkrankheit Parkinson sich stärker als andere Alterskrankheiten in Landwirtschaftszonen verbreitet. Landwirtschaftsangestellte erkranken dazu noch dreimal häufiger, wenn sie in der Nähe von Feldern arbeiten, auf denen regelmässig Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Seit 2012 gilt deshalb in Frankreich Parkinson bei Landwirten als Berufskrankheit.

Dies ist ein Beispiel wie es viele gibt über die Auswirkungen von Pestiziden, Insektiziden und Düngemitteln auf unsere Gesundheit – sei es indem wir Spuren davon im Trinkwasser, über Luft oder über die Lebensmittel konsumieren.

Die EAWAG hat im Dezember 2018 in einer Studie dargelegt, dass Antibiotikaresistenzen durch die Kläranlagen nicht nur nicht vollständig eliminiert werden, sondern dass sie im

Abwasser auch aktiv sind und sich verändern. In der Antwort des Bundesrates auf eine Interpellation von mir, bestätigt er, dass die heutigen Kläranlagen nur 90-99% der antibiotikaresistenten Bakterien entfernen und dass noch keine routinemässigen Messmethoden im standardisierten Einsatz stehen. Die Risiken für die Bevölkerung und Umwelt sind deshalb noch nicht einmal abschätzbar. Dieses Jahr hat die EAWAG im April dann aufgezeigt, dass Bäche im Landwirtschaftsgebiet stark mit Herbiziden oder Insektiziden belastet sind. Forscher aus Lausanne wiesen kurz darauf sogar auf Bioäckern und ökologischen Ausgleichsflächen Pestizide nach, wegen der Abdrift von konventionell bewirtschafteten Feldern.

Die zwei Volksinitiativen greifen deshalb wichtige Themen auf, weil die Schweiz ein echtes Problem mit Pestiziden und der Trinkwasserbelastung hat. Die Untätigkeit der Politik ist für breite Bevölkerungskreise in diesem Land nicht mehr zu ertragen. Sie haben das Vertrauen verloren, dass das Parlament gewillt ist, die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen und die Artenvielfalt ausreichend zu schützen. Es ist allerhöchste Zeit, dass die Politik verbindliche Lösungen verabschiedet.

Dass die zur Diskussion stehenden Massnahmen der AP 22 nicht reichen werden, bestätigt auch der Verband der Schweizerischen Wasserversorger, die darauf hinweisen, dass jeder vierten Wasserfassung wegen Konflikten mit der Landwirtschaft die Schliessung droht.

Freiwilligkeit führt aus Erfahrung leider kaum zu einer Verbesserung, allen Versprechungen des Bauernverbandes zum Trotz. Die Stellungnahme des SBV zu den Massnahmen der AP22+ belegen ihre Kompromisslosigkeit. Sie wollen nicht, dass die Direktzahlungen gekürzt werden können, wenn ein Betrieb gegen das Gewässerschutzgesetz verstösst. Ich habe grosse Sympathien für die Landwirtschaft und grosse Teile der Bevölkerung sind bereit höhere Preise für inländische, teurere Produkte zu zahlen – wenn sie denn unbedenklich für Gesundheit und Umwelt sind.

Der Rückweisungsantrag würde ermöglichen mit einem Gegenvorschlag eine Verbindlichkeit zu installieren, damit das Trinkwasser geschützt wird, die synthetischen Pestizide verboten werden und unsere Lebensmittel konsequent umweltverträglich produziert werden.

Auch die gegenwärtig geführte Klimadiskussion wird zwingend zu einem Umdenken in der Landwirtschaft führen. Mastbetriebe, die grosse Mengen an Futtermitteln für die Fleischproduktion einführen, für die Regenwälder abgeholzt wurden und die mit präventivem Antibiotikaeinsatz versorgt werden, dürfen nicht mehr mit Fehlanreizen durch die Direktzahlungen gefördert werden.

Hätte der Bauernverband Interesse an einer Lösung mit einem wirksamen Schutz unserer Gesundheit, würde er an einem Gegenvorschlag mitarbeiten. Lenkungsabgaben könnten dabei die nötigen Anreize setzen, dass auf schädliche Produktionsmethoden verzichtet wird. Das Problem bei den Pestiziden ist doch gleich wie beim CO2-Ausstoss: Die Umweltkosten werden nicht von denen getragen, die sie verursachen. Mit hohen Abgaben auf Pestiziden könnten schonendere Methoden unterstützt werden, die Umwelt geschützt und gesunde Lebensmittel produziert werden.

Die verbissene und renditegetriebene Haltung der Kommission unter dem Druck des Bauernverbandes erleichtert es uns immerhin die Initiativen vorbehaltlos zu unterstützen. Ein griffiger Gegenvorschlag, der die Ziele der Initiativen mit milderen Massnahmen ebenfalls erreicht, scheint gegenwärtig noch nicht mehrheitsfähig.