Sanft-orangene Plakate ohne Parteiabsender warnen uns vor der drohenden Abschaffung der direkten Demokratie. Die «Selbstbestimmungsinitiative» hat damit aber gar nichts zu tun. Widersprüche zwischen Volksentscheiden und der Bundesverfassung hat es schon immer gegeben. Wenn Initiativen mit Grundwerten der Bundesverfassung kollidieren, unterliegen vom Parlament erarbeitete verfassungsmässige Umsetzungen wieder einer Referendumsabstimmung. Wir haben mit den Widersprüchen leben gelernt – doch es bleibt dabei: das Volk hat das letzte Wort. Dafür brauchen wir keine Selbstbestimmungsinitiative.

Konflikte ergeben sich auch, wenn Grundwerte der Verfassung mit beschlossenen Gesetzen kollidieren, weil wir kein Verfassungsgericht haben, das neue Gesetze überprüfen kann. Einzelpersonen, z.B. Asbest-Opfer, fürsorgerisch Untergebrachte, die Frauen können, wenn sie hier kein Gehör finden, den europäischen Menschenrechtsgerichtshof anrufen. Der hilft in Fällen, wo die eigenen Behörden die Grundwerte unserer eigenen Verfassung missachten. Die EMRK ist durch Zusatzprotokolle, die dem Referendum unterstanden haben, demokratisch legitimiert. Auch durch die EMRK initiierte Gesetzesanpassungen werden erst durch die Instrumente unserer direkten Demokratie bestätigt.

Völkerrechtliche Verträge finden dann eine Mehrheit, wenn sie mehr Vor- als Nachteile bringen. Die «Selbstbestimmungsinitiative» will, dass alle Verträge nur von Fall zu Fall gelten sollen. Damit wird die Schweiz ein wankelmütiger Vertragspartner. Unsere Souveränität, die Selbstbestimmung, erhalten wir durch Verträge, die uns einen möglichst grossen eigenen Handlungsspielraum sichern.

Die Abwehrrechte gegen die Übermacht des Staates erhalten und die Souveränität mit Verträgen sichern, darum stimme ich bei der Selbstbestimmungsinitiative mit Überzeugung Nein!