«Eine längere Piste ist unnötig»
Die Verlängerungen (rot) der Pisten 28 und 32 ist selbst bei Piloten umstritten. Bild: Grafik ZU
Flughafen. Der Pilot und Ausbildner Mathias Rieder sagt, eine Verlängerung der Startbahn 32 würde die Sicherheit nicht verbessern. Der Klotener hält auch die Erweiterung der Piste 28 für überflüssig.
Heinz Zürcher

Mathias Rieder ärgert sich über die Argumente, mit denen die Verlängerungen der Pisten 28 und 32 gerechtfertigt werden. Erstere soll künftig ermöglichen, dass mehr und grössere Flugzeuge auch auf nasser Bahn von Osten her landen können. Letztere dient nach Aussagen des Flughafens dazu, Grossraumflugzeuge Richtung Norden starten zu lassen. «Sicherheitstechnisch bringt das aber gar nichts», sagt Rieder. «Von da her ist die Verlängerung der Piste 32 unnötig.» Der Klotener kennt sich mit Flugzeugen aus. Seit 1985 ist er Berufspilot und fliegt heute für Lufthansa die grossen Airbus-Typen A330 und A340-300 und A340-600. Er ist Sachverständiger des deutschen Luftfahrtbundesamtes und bildet Piloten auf diesen Maschinen aus. Zudem war er Mitglied des Runway-Safety-Teams Zürich. Dieses setzt sich aus Airline-, Flugsicherungsund Flughafenvertretern zusammen und empfiehlt Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit auf den Rollwegen und Pisten.

Rieder sagt, die Piste 32 sei mit 3300 Metern lang genug. Zwar wäre der Start eines Airbus A340 mit dem maximal zulässigen Startgewicht von 275 Tonnen etwas heikel. Limitierend sei aber nicht die Länge der Piste, sondern die so genannten Obstacles. Obstacles sind Hügel oder Wälder in der Verlängerung der Piste, also Hindernisse, die bei einem Triebwerkausfall eine Gefahr darstellen könnten. «Diese Obstacles lassen sich aber auch mit einer längeren Piste nicht wegrechnen», sagt Rieder.

 

Für Starts Richtung Kloten?

Dass die Behauptung nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt Rieder beim Treffen anhand eines Systems, das er jeweils für seine Flugvorbereitungen verwendet. Egal, ob die Piste trocken oder nass ist, immer wird das maximal erlaubte Startgewicht durch die Obstacles begrenzt. «Dasselbe gilt auch für andere grosse Flugzeugtypen wie den Airbus A380 oder die Boeing 777.»

Weshalb Bund und Flughafen dennoch auf eine Verlängerung drängen, weiss Rieder nicht. Aber er könne sich vorstellen, dass sich der Flughafen die Möglichkeit offenhalten will, dereinst auch in die Gegenrichtung starten zu können, also Richtung Kloten. «Das würde die Stadt dann noch mehr belasten.» Flughafen-Sprecherin Sonja Zöchling entwarnt jedoch. Das sei sicher nicht geplant, sagt sie. «Denn dann müsste man zunächst alle Gebäude entfernen, die am Flughafen oder in Kloten in der Verlängerung der Piste liegen.»

Eine Verlängerung der Piste 32 Richtung Norden würde gemäss Zöchling dagegen viel bringen. «Denn für Langstreckenflugzeuge ist sie mit 3300 Metern ein wenig zu kurz.» Auf Rieders Argument, dass die Obstacles entscheidend seien und nicht die Länge, antwortet die Flughafen-Sprecherin: «Wir haben das mit Spezialisten der Flugsicherung ausrechnen lassen. Wir würden ja nicht freiwillig eine Piste ausbauen.» Dies lässt Rieder in dieser Form nicht stehen. «Die Flugsicherung hat offensichtlich andere Tools für die Berechnung des maximalen Startgewichts als Lufthansa und deren Tochter Swiss», sagt Rieder. Letztlich sei jedoch der Kommandant verantwortlich für die Durchführung des Flugauftrags.

Bei Nässe ausweichen

Auch die Erweiterung der Piste 28 hält Rieder für überflüssig. Zwar sei sie mit einer Länge von 2500 Metern tatsächlich zu knapp bemessen, wenn grosse Flugzeuge mit maximalem Landegewicht und bei Nässe landen würden. «Aber in solchen Fällen kann man wie bis anhin auf die Bahn 34 ausweichen. Der Flughafen stellt frühzeitig fest, ob die Bahn nass oder trocken ist. Dementsprechend wird das Anflugregime von 6 bis 6.30 Uhr geregelt. Airlines werden sich an diese Fakten gewöhnen müssen.»

Sonja Zöchling erklärt, für einen stabilen Betrieb sei es wichtig, dass alle Flugzeuge selbst bei nassen Bedingungen auf der Piste 28 landen könnten. «Ansonsten müsste die Flugsicherung ständig das Anflugregime wechseln. Dadurch verliert man nicht nur Zeit. Die Sicherheit wäre auch weniger hoch.» Rieder meint dazu: «Das Regime müsste bei gleichbleibenden Verhältnissen genau einmal um 6.30 Uhr gewechselt werden und hat mit Sicherheit nichts zu tun.»

Die Erweiterungen der Pisten 28 und 32 werden mit 500 Millionen Franken veranschlagt. Beide Projekte sind zwar in den Richtplan-Entwürfen enthalten. Im Staatsvertrag über den Fluglärm zwischen der Schweiz und Deutschland sind sie aber nicht als Bedingung aufgeführt. Bund und Flughafen sagen jedoch, dass der Staatsvertrag nur umgesetzt werden könne, wenn die beiden Pisten verlängert würden. Ansonsten könne Zürich die Nachfrage nach interkontinentalen Direktverbindungen nicht mehr erfüllen.

«Nicht für Hub geschaffen»

Rieder hat keine Lösung, wie der Flughafen ein Wachstum bei gleichem Pistensystem auffangen könnte. «Aber die Topografie rund um den Flughafen grenzt den Betrieb ohnehin ein. Zürich ist einfach nicht für einen Hub geschaffen.» Als Pilot sei er natürlich für den Luftverkehr. Er plädiere aber dafür, den Zusammenhang zwischen Privatflugzeugen, so genannten Exekutivjets, und Arbeitsplätzen zu überdenken. «Ich setze mich für ein moderates und nachhaltiges Wachstum ein», sagt Rieder, der im Klotener Parlament die Grünliberalen vertritt. Er selbst sei übrigens nicht von den Ostanflügen betroffen, betont der Familienvater. «Ich wohne auf der anderen Seite des Holbergs und höre eher die Südanflüge.»