Nach einem Umbau ist das Haus von Thomas Hardegger, SP-Nationalrat und Gemeindepräsident von Rümlang, das nachhaltigste im Kanton Zürich.

az Limmattaler Zeitung 30.9.2015 von Manuel Navarro

Könnten Sie sich vorstellen, in einem Kraftwerk zu wohnen? Klingt spontan wenig erstrebenswert. Tatsächlich geht das aber durchaus – und nein, dafür müssten Sie sich auch nicht mit Kühlflüssigkeiten für Brennstäbe herumschlagen oder regelmässig überprüfen, wo Sie auf dem Markt am günstigsten Kohle einkaufen können. Auch ein 60-jähriges Mehrfamilienhaus eignet sich dazu, Strom zu produzieren, statt primär zu verbrauchen.

Den Beweis dazu hat jüngst Thomas Hardegger, Nationalrat (SP) und Gemeindepräsident von Rümlang, angetreten.

Er besitzt in Oberengstringen ein Mehrfamilienhaus aus den 1950er-Jahren. Bis 2013 war das Gebäude, ausgelegt für vier Wohnparteien, ein regelrechter Energiefresser: Fast 67 000 Kilowattstunden (kWh) Strom hat es pro Jahr verschlungen. Umgerechnet waren das rund 15 Liter Öl pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Durchschnittlich bezieht ein Vierpersonenhaushalt jährlich etwa 4500 kWh Strom. Das alte Gebäude in Oberengstringen verbrauchte also mehr als dreimal so viel Energie, wie vier Wohnparteien durchschnittlich benötigen würden.

1,5-Millionen-Franken-Umbau

Heute verschleudert das Haus keine Energie­ mehr, im Gegenteil: Als sogenanntes Plusenergiehaus produziert es nun mehr Strom, als es verbraucht. «Eigentlich hätte ich damals nur die Heizung sanieren müssen», erinnert sich Hardegger. Ein umweltfreundliches Heizsystem wäre auch für etwa 50 000 Franken zu haben gewesen. Stattdessen hat Hardegger die Sanierung zum Plusenergiehaus im Minergie-Plus-eco-Standard durchführen lassen. Das kostete deutlich mehr als das Ersetzen der Heizung, nämlich rund 1,5 Millionen Franken. «Es war für mich wichtig, zu zeigen, dass die Theorien zur Energiewende, welche die Politiker gerne von sich geben, auch umsetzbar sind», erklärt der Rümlanger seine Beweggründe.

Thomas Hardegger, SP-Nationalrat und Gemeindepräsident von Rümlang.

«Das Haus verbraucht nun nur noch 18 755 kWh pro Jahr. Und mit einer Solaranlage auf dem Dach produziert es in dieser Zeitspanne 24 500 kWh», erklärt der Nationalrat. Durch die Sanierung ist der Gesamtenergiebedarf des Hauses also um 72 Prozent gesunken, zudem erzeugt es einen Stromüberschuss von rund 5750 kWh pro Jahr. Für die Bewohner der Liegenschaft sind zwar die Mietkosten gestiegen, die Nebenkosten aber gesunken: Für die Heizkosten zum Beispiel zahlen sie noch etwa 40 Franken.

Gelungen ist dies dank mehreren Massnahmen. Durch Wärmedämmung und dreifach verglaste Fenster wurde der Energiebedarf erheblich gesenkt. Die alten, aus dem Gebäude herausragenden Balkone, durch welche viel Wärme nach draussen entwich, wurden durch eine losgelöste Metallkonstruktion ersetzt. Den Strom generiert das Haus mittels einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Die Anlage generiert sowohl auf der Süd- als auch auf der Norddachfläche Strom.

Gute Chancen auf weiteren Preis

Hardegger erhält für das stromerzeugende Gebäude heute in Genf den Plusenergiebau-Solarpreis 2015. «Das Haus ist in vielen Belangen einzigartig», erklärt Gallus Cadonau, Geschäftsführer der Solar-Agentur Schweiz, die den Preis vergibt. «Es ist das innovativste und nachhaltigste Haus im Kanton Zürich», sagt Cadonau. «Zudem steht das Haus in einer Kernzone, wo die Photovoltaikanlage das Ortsbild aufwertet.» Speziell an dem Gebäude sei auch, dass zum ersten Mal eine Plusenergiesanierung an einem Mehrfamilienhaus sowohl die Süd- als auch die Norddachfläche zur Stromerzeugung nutze. «Das Haus hat gute Chancen, auch noch den europäischen Solarpreis zu gewinnen», schätzt Cadonau.

Hardegger selbst ist mit der Sanierung zufrieden, auch wenn der Stromverkauf für ihn aktuell noch ein Verlustgeschäft bleibt. «Ich habe mit dem Gebäude den Tatbeweis dafür erbracht, dass die Energiewende umsetzbar ist.»

(az Limmattaler Zeitung)