Die Volksinitiative „Ja zur Hausarztmedizin“ bleibt ein wirksames Medikament in der parlamentarischen Therapie.

Votum im Nationalrat am 6.3.2013

Ich will mir nicht vorstellen, dass in meiner Gemeinde keine Hausärzte mehr praktizierten. Und doch ist diese Gefahr gross, wenn es nicht gelingt, die Hausarztmedizin, gerade für junge Mediziner, attraktiver zu machen.

Es ist heute Morgen wiederholt dargelegt worden, dass in der Gesundheitsversorgung der Hausarzt oder die Hausärztin oft den Grundstein für die erfolgreiche Behandlung legt. Es ist belegt, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patientin einen grossen Anteil daran trägt, ob eine Therapie auch Wirkung zeigt. Je höher die Hausarztorientierung in einer Gesellschaft ist, desto höher ist die Lebensqualität, je mehr Hausärzte zur Verfügung stehen, desto höher ist die Lebenserwartung, dies zeigen internationale Studien.

 

Gerade dieser Bereich der Aufgaben der Hausärztinnen und Hausärzte wird - auch bei der Abgeltung - zu wenig Rechnung getragen. In den Gemeinden und Quartieren haben sie in der psychosozialen Betreuung eine unersetzbare Funktion. Oft kann die adäquate Behandlung nur gefunden werden, wenn das soziale Umfeld und die Lebenssituation bekannt sind. Patientinnen und Patienten müssen mit ihren Ressourcen, ihrem Umfeld und ihren Möglichkeiten erfasst und behandelt werden.

Eine Beratung bei Alkoholsucht oder bei grossem Übergewicht greift bei bestimmten Gruppen von Menschen nur, wenn sie eins zu eins über die Hausärztin erfolgt. Wir geben Millionen für grossangelegte Kampagnen zur Bekämpfung von gesundheitsschädigendem Verhalten aus. Diese verstärken zwar das schlechte Gewissen der Betroffenen, aber sie helfen ihnen in ihrer Not nichts. Viel wirkungsvoller ist die direkte Unterstützung der Hausärztinnen und Hausärzte. Mit jeder einzelnen erfolgreichen Beratung, kann die öffentliche Hand und das Gesundheitswesen viel Geld sparen.

 

Das Institut für Sozial- und Präventivmedizin hat vor einigen Jahren in einer Studie aufgezeigt, dass viele Menschen medizinische Informationen wegen fehlendem Textverständnis nicht für sich verwerten können. Es sind nicht nur funktionale Analphabeten, auch Menschen, die im Stress der Behandlung die Aufnahmefähigkeit für medizinische Zusammenhänge verlieren. Die Interviewten haben angegeben, dass sie den Hausarzt als Übersetzer benötigen. In einer Zeit, in der sich immer mehr medizinische Ratgeber anbieten, übers Internet, die Telefonberatung und anderen Medien - fachlich mehr oder weniger qualifiziert - wird der Hausarzt auch immer mehr mit Falschinformationen, Halbwissen und Fehlinterpretationen seiner Patientinnen konfrontiert, die er nur im Gespräch mit dem Menschen in seinem individuellem Umfeld richtig stellen kann. Stellen sie sich vor, wie viel Leid es die Betroffenen kostet und wie viel Geld verschwendet wird, wenn ärztliche Anordnungen falsch verstanden werden und nicht befolgt werden.

Dieselbe Aufgabe stellt sich den Hausärzten auch in der Nachbetreuung von stationären Behandlungen, zum Beispiel nach einem Herzinfarkt. Gute Betreuung und Ratschläge, die beim Austritt auf den Weg mitgegeben werden, verflüchtigen sich rasch. Das hat sich in einer Umfrage gezeigt, die ein halbes Jahr nach der Behandlung durchgeführt worden ist. Oftmals wissen die Patientinnen nicht mehr, weshalb sie behandelt worden sind und was sie gegen einen Rückfall unternehmen können. Erst der Hausarzt kann die notwendigen Massnahmen wieder auffrischen und beratend zu Seite stehen.

 

Eine ganz wichtige Aufgabe, die mir auch persönlich am Herzen liegt, kommt den Hausärztinnen und Hausärzten bei der Integration der Migrantinnen und Migranten zu. Meist sind die Hausärzte die ersten Bezugspersonen der Mütter mit ihren Kleinkindern oder der Väter im Spannungsfeld ihrer kulturellen Herkunft und den Erwartungen der neuen Heimat an sie. Alle Angebote von Gemeinden und Hilfswerken zur Integrationsförderung nützen nichts, wenn sie den Betroffenen nicht bekannt sind. Die Zusammenarbeit mit den Hausärzten ist für die Gemeinden deshalb ausserordentlich wichtig. Eine Gemeinde ohne Hausarztversorgung verliert deshalb eine wichtige Unterstützung den sozialen und gesellschaftlichen Aufgabenbereichen.

Die Hausarztmedizin ist deshalb in allen Bereichen zu stärken, zu unterstützen und ihre Leistungen sind gerecht abzugelten. Besser über einen guten Gegenvorschlag als mit der Volksinitiative. Bis der jedoch sein wahres Gesicht zeigt, bleibt die Initiative ein wirksames Medikament in der parlamentarischen Therapie.

Ich danke Ihnen für die Unterstützung von Initiative und Gegenvorschlag.

Thomas Hardegger